Figeholm. (MR)
Samstag, 13.8.11: Der Schlag von Byxelkrok in Richtung Westen verläuft segeltechnisch zu unserer vollsten Zufriedenheit. Hier ein persönliches, launisches Tagebuch:
„Schönes Wetter, leichte Besegelung (nur das große Vorsegel), im Schnitt 5 Knoten Geschwindigkeit. Dennoch haben wir ein paar Probleme, auf Anhieb einen geeigneten Platz zum Übernachten zu finden: Die Schärenküste, am nördlichen Kalmarsund gelegen, fällt hier doch recht flach aus. Und man darf den Tiefgang der Mary Read nicht vergessen: Immerhin stolze 1,70 Meter baumeln von der Wasseroberfläche bis an die unteren Spitze des Kiels da unten rum. Ein Rendezvous unseres Bleikiels mit einem sogenannten „Schweinebuckel“ wollen wir in keinem Fall riskieren. Der Skipper: „Dann hast Du sechs Richtige.“ Das Schreckensszenario kommt bekanntlich (und in den meisten Fällen nicht selten de facto) der Havarie gleich.
REHA-ETAPPE: ÜBERFAHRT VON ÖLAND PROBLEMLOS GEMEISTERT
14 Uhr: Nach knapp drei Stunden Fahrt über den Kalmarsund – die Naturschutzinsel Bla Jungfrun (ein Paradies für Geologen und Vogelforscher) an Backbord passierend – erreichen wir die Schärengärten. Wir motoren forsch, aber nicht minder konzentriert, mit den Augen unseren GPS prüfend (Kernfragen: „Wo ist's zu flach, wo passt es ?“), etwa vier Seemeilen nach Norden. Bis sich uns ein fettes Atomkraftwerk förmlich in den Weg stellt. RESTRICTED AREA. FORBUD. Alles klar. Sieht eh nicht gerade einladend aus.
FUSSBALL-BUNDESLIGA IN DEN SCHÄREN
Mittlerweile haben wir rund 15 Uhr. Wir haben Hunger und keinen Bock mehr; die Ankerplätze sind entweder nicht geeignet für uns undoder zu nah an der offenen Ostsee dran. Sprich: zu unruhig und deswegen untauglich für die Nacht. Die Sonne scheint, beste Voraussetzungen für ein verspätetes Lunch. Erstmal ein paar Kalorien einhelfen, denken wir. Wir schmeißen den Anker rein. Das AKW in Sichtweite. Welch morbide Aussicht. Unsere Mägen empfangen dankend heißen Bohnenkaffee, Stullen, Kabanossi und aus dem ICA gekauftes Gebäck. Und das alles windgeschützt unter Deck. Der Anker hält, die Haare sitzen.
„MOMENT!“ - „WELCHER BALL?“
Die Stimmung steigt, der Ball rollt. Moment! Welcher Ball? Zur Krönung unseres primitiven Mahles empfangen wir die ARD-Bundesligakonferenz via Deutsche Welle!!
Im Unterbewusstsein Pott-Original Herbert Knebel zitierend, den er im Mai in der Essener Grugahalle bewundert hat, ruft Steffen beim Identifizieren des Programms aus: „Ich glaub, ich geh' kapott!“ Leider geht der 1. FC Köln auf Schalke mit 1:5 ziemlich kapppottttt. Dabei hatten wir Onkel Uli* schon per SMS gratuliert. Er schiebt drollig nach, er habe sich noch nie für Fußball interessiert und sei jetzt nur noch „Fan von Damenhockey“. Wir lachen uns halb schrott vor Lachen. Und doch hat Poldi mal wieder die Mannschaft nicht zusammenhalten können nach Rückstand. Das gewohnte Bild. Danach ärgern wir uns ein wenig über die Dusel-Bayern. Die Bazis haben nämlich in der 90. Min. (simultan und melodisch untermalt mit einem umfallenden Kaffeebecher in unserer Spüle) bei Magaths Wölfen das 1:0 geschossen. Herr Magath, heute mit neuer Brille, so lernen wir gebannt vom abschweifenden Reporter, war besser. Doch Osram-Jupp jubelt. Denke an Herbert Zimmermann.
Und „aus, aus, aus!!“
AKW, SEEGRAS UND VETERANO
Egal – nein, eben nicht egal! - weiter geht’s. Machen noch einen verschmitzten Grüßaugust in Richtung AKW und sind – pünktlich mit dem Abpfiff auf den Plätzen um viertel nach fünf – vom Acker. Ich ziehe und ziehe. Aber am Anker, auf dem voll der Wind steht, hängen gefühlte 28 Kilo Seegras und Lehm. Eine ätzende Drecksbombe, das Ding. Ich ächze wie ein oberschlesischer Bulle beim Ziehen eines Feld-Zweispanners. Nur, dass mein Nebenmann, hier: die elektrische Ankerwinsch, gar nicht erst existiert. Es bolzt und drischt, die Leine setzt sich in Zeitlupe in Gang. Gerd hilft mir, indem er den Sausack durch geschicktes Eindampfen „aufbricht“, d.h., „his Majesty“, die Ankerleinem steht in immer senkrechterem Winkel nach unten, je mehr man auf sie „drauf fährt“. Und damit wird die Last entlastet und erträglicher. Auf unserer nun beginnenden Abendfahrt ist es schwer, im tief stehenden Gegenlicht der Sonne rote von grünen Tonnen zu unterscheiden. Einerseits schön, andererseits eben tückisch. Alles geht aber glatt, was sonst. Um 18 Uhr erreichen wir die entvölkerten Schäreninselchen rund um die Figeholm Marina. Ragholmen. Genauer gesagt: einen Privatsteg, samt der Insel „Ragholmen“, an der wir, mit offiziellem Freibrief des lokalen Segelklubs, freundlicherweise (und sogar gratis!) übernachten dürfen. Wir grillen erstmalig auf dieser Tour an Land. Unser Einmalgrill läuft zur Hochleistung auf. Zwar kokelt sein heißer Unterboden den peinlich gepflegten Rasen etwas ab. Das war jedoch keine Absicht, liebe Gastgeber.
Danach werden Koteletts, Kartoffeln, Salat und 3,5%iges Schweden-Bier verzehrt.
Auch der aus dem türkischen Duty-Free-Shop via Essen nach Schweden importierte Veterano giert nach seiner Einweihung. Und er bekommt sie kurz, profan und schmerzlos unter einem skandivanischen „Skol“. In unserem kleinen Schärenparadies lässt es sich aushalten. Der Sonntag wird prompt zum Hafentag deklariert.“
Bilder von Ragholmen folgen...!
Bilder von Ragholmen folgen...!
* Zur Erklärung: Mein lieber Onkel väterlicherseits, ein – ja, diese ulkigen, possierlichen Insulaner möchten selbst dieser Tage nicht ihrem Klüngelverein abschwören, ein Fan des 1. FC Köln. Merke: Nobody is perfect. Und wir Frankfurter (und Hamburger, um die alte Liebe des Skippers zu nennen) sind es schon mal gar nicht. :)
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